Digital und doch so nah

2021

Aufgrund der immer noch andauernden Pandemie und ständig wechselnder Bestimmungen im Veranstaltungsbereich sind unsere Projektpartner:innen äußerst kreativ mit der Situation umgegangen, sind über sich selbst hinausgewachsen und haben ihre Ideen auf faszinierende Weise umgesetzt. Jedes der hier aufgezeigten Projekte hätte live auf die Bühnen gebracht und viel Publikumsapplaus erhalten sollen. Kompliment an unsere Projektpartner:innen!

 

›tanzwärts!‹ — ein Audiowalk

Staatstheater Braunschweig

›Wir wollten ›tanzwärts!‹ trotz der Corona-Pandemie unbedingt stattfinden lassen. Herausgekommen ist diese digitale Lösung mit dem Tanzen unter freiem Himmel‹, erläutert Brigitte Uray als Gesamtleiterin des Projekts die Produktion ›Neue Wege‹.

Das Projekt wurde als Audio-Video-Walk umgesetzt, bei dem das Publikum selbständig mit Hilfe eines Stadtplans neun verschiedene Stationen aufsuchen konnte. An diesen Orten konnte es mit mobilen Endgeräten durch QR-Codes die speziell produzierten Tanzfilme und Audio-Dateien abrufen. Diese beinhalteten nicht zuletzt auch Bewegungsaufgaben, um durch das Hören selbst zum Tanzen und in Bewegung zu kommen.

tanzwärts! ist ein Laientanzprojekt, welches in der Vermittlung neue Maßstäbe setzt. Hunderte Braunschweiger:innen im Alter von 8 bis 80 Jahren sind in den letzten Jahren dem Ruf gefolgt und haben sich die Bühnen des Staatstheaters erobert und den Rollentausch von Zuschauer:in zu Tänzer:in gewagt. Thematisch lehnt sich jedes ›tanzwärts!‹-Projekt an die jeweils aktuelle Produktion des Tanztheaters an. Neben den ›tanzwärts!‹-Bühnenprojekten entstanden gerade zur Corona-Zeit auch andere Formate, wie Filmprojekte oder der bewegte Audio-Video-Walk durch Braunschweig.

Der Chefchoreograph des Staatstheaters, Gregor Zöllig, schaffte mit tanzwärts! ein konkretes und kostenloses Angebot für Braunschweigische Bürger:innen, die sich gemeinsam mit den Choreograf:innen und dem Tanzensemble des Tanztheaters Braunschweig auf eine große Aufführung vorbereiteten. In einer intensiven fünfwöchigen Probenphase entsteht ein Tanzabend, der unter professionellen Bedingungen im Staatstheater aufgeführt wird. Thematisch lehnt sich jedes ›tanzwärts!‹-Projekt an die jeweils aktuelle Produktion des Tanztheaters an.

Das Staatstheater hat in den letzten sechs Jahren das Vermittlungsprojekt tanzwärts! überaus erfolgreich platziert. Amateur:innen aus Stadt und Region wurde ein nachhaltiger Zugang zum zeitgenössischen Tanz ermöglicht, der einen unmittelbaren und intensiven Eindruck von künstlerischer Arbeit vermittelt und diese Kunstform so in der Öffentlichkeit etabliert.

Hier geht es zum Trailer: https://youtu.be/C3ukZeju-YE

Tanztheater ›Sex mit Madonna‹

März 2021 Live September 2021
Chris Jäger

Sex mit Madonna ist eine choreographische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlich tabuisierten bipolaren Störungen. Vielleicht eine Brücke zu mehr Wissen und Verständnis. Ein Interview mit Chris Jäger.

Wie sind die auf die Idee zu diesem Stück gekommen? Und warum gerade Songs von Madonna?
Eine mir persönlich sehr nahestehende Person wurde mit einer bipolaren Störung diagnostiziert. Ich stellte fest, dass in der Gesellschaft ein Mangel an Wissen oder sogar ein Tabu herrscht, bezüglich der häufigsten psychischen Gesundheitsstörung in Deutschland. Laut Angaben der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störung e. V. sind bis zu 6% der deutschen Bevölkerung von der Krankheit betroffen. In einem Theater mit 150 Plätzen befinden sich rein statistisch 9 Erkrankte. Rechnet man deren Angehörige mit, ist die thematische Relevanz offensichtlich. Die Spannung zwischen Manie und Depression, die Körper und Geist schier zerreißt, hat mich choreografisch so fasziniert und berührt, dass sie zum Kern dieser Arbeit wurde.

Madonna kam dann durch den bipolaren Schriftsteller Thomas Melle ins Spiel. Er beschreibt während einer manischen Phase der festen Überzeugung gewesen zu sein, die Popikone Madonna im Bett zu haben. ›Als ich Sex mit Madonna hatte ging es mir kurz gut. (…) Sie hatte ihr Leben lang über mich gesungen.‹ (Thomas Melle, Die Welt im Rücken). Ich schaute auf die vielen Werke Madonnas und fand Parallelen zum Krankheitsverlauf.

Jeder kennt diese Lieder und jeder mag diese Lieder. Ich sah darin die Chance einer Brücke zwischen Betroffenen und Nicht-Betroffenen. Ich nahm den Vocal-Track der Lieder, also nur Madonnas Stimme, und schmiss die musikalische Begleitung aus dem Fenster. Was blieb war eine Accapella Madonna, auf deren Worte man hörte. Zusammen mit den manischen Bewegungen der Tänzer:innen, die sich sehr verausgaben und den Stress einer Manie auf den Körper repräsentieren, war das nach meinem Empfinden sehr kraftvoll.

Das Stück hieß vorerst ›Stürme‹ bevor sie es in Sex mit Madonna umgeändert haben. Wieso der Wechsel?
Aufgrund der Tatsache, dass viele Bipolare ihre Krankheit als ein schutzloses Ausgeliefertsein, während eines Gewitters auf einem freien Feld beschreiben, wählte ich den Arbeitstitel STÜRME. In den Proben entwickelte sich das Stück dann so, dass sich der Titel ändern musste. Weg vom Feld und näher ans Publikum. Eine manische Madonna, die dir ins Gesicht stürmt.

Sie sprechen ein noch oft tabuisiertes Thema an. Wie hat das Publikum auf Ihr Stück reagiert?
Zunächst mussten wir SEX MIT MADONNA aufgrund der Pandemie digital präsentieren, das hatte ich natürlich so nicht geplant. Wir erreichten jedoch überraschend viele Zuschauer damit. Über 1000 Menschen von Amerika bis China haben sich das Video damals über den Vimeo Kanal des LOT-Theaters angesehen. Ich erhielt extrem positives Feedback. Eine Frau aus Südkorea schilderte mir, dass sie sich mit ihren Freunden bis spät in die Nacht über bipolare Störung und den Umgang mit mentaler Gesundheit in der Gesellschaft unterhalten hat. Das hat mich natürlich sehr gefreut. Im September konnten wir SEX MIT MADONNA dann endlich vor einem live anwesenden Publikum präsentieren. Sobald die Scheinwerfer angingen und ich auf die Hinterköpfe der anwesenden Menschen schaute, musste ich aufatmen, denn endlich konnte ich das Stück so teilen wie ich es ursprünglich vorhatte. Wir hatten ein tolles Publikum auch viele Betroffene darunter. Sie waren unglaublich dran am Stück. Manche weinten oder freuten sich über das Konfetti, das eigentlich nicht ins Publikum fliegen sollte und nun aus der Frisur gelesen werden musste. Meine Lichtdesignerin Raquel Rosildete nahm mich der Vorstellung in den Arm und sagte ›That's why we do theatre. It was magic.‹ Es war ein sehr emotionaler Abend.

Nach der Vorstellung kam es im Foyer des Theaters zu einem sehr natürlichen Austausch. Es wurde gesprochen, sich ausgetauscht, man kam sich näher. Eine sehr offene und entspannte Atmosphäre. Ein Betroffener setze sich ans Klavier, während alle offen miteinander sprachen und sich näherkamen. Am Ende des Abends, als wir die 100kg Konfetti ins Auto packten, half uns derselbe Mann und ich sagte ihm ›Du musst uns nicht helfen‹ seine Antwort: ›Warum nicht? Du willst mir doch auch helfen.‹ Das hat mich zutiefst berührt.

Hier geht es zum Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=XGSaZfgaqKM

OpenTransfer CAMP #Zukunft — nachhaltig und digital

5. März 2021
Die Braunschweigische Stiftung in Kooperation mit der Stiftung Bürgermut, dem Spielfeld Gesellschaft und dem TRAFO Hub.

Wie können wir Digitalisierung nachhaltiger, fairer und ökologischer gestalten? Wie können digitale Tools gemeinnützige Organisationen unterstützen? Wie kann ich mich in meinem Stadtteil für mehr Nachhaltigkeit einsetzen? Und wie kann ich mich auch im Internet für Artenvielfalt stark machen? In 21 Sessions wurden auf diese Fragen Antworten entwickelt. Ideen, wie man mehr auf open source setzen kann und seine Büro-Infrastruktur grüner und fairer aufstellt, waren dabei. Es ging ums Wissen und Ressourcen teilen und darum, wie Kampagnen digital funktionieren – ein praller Tag, an dem rund 200 Teilnehmende für jede Menge Motivation, Wissenszuwachs und Vernetzung sorgten. Zusammen mit der Stiftung Bürgermut, dem Spielfeld Gesellschaft und unserem Netzwerkpartner vor Ort - dem TRAFO Hub, haben wir Projektmacher:innen, Engagierte und solche, die es werden wollen, (digital) zusammengebracht, uns vernetzt, Inspirationen gesammelt und gemeinsam neue Ideen entwickelt. Wer neugierig geworden ist: Die Dokumentation der 21 Session ist hier zu finden.

Hier geht es zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=94b0x2bhvYo&t=159s

BIOPHILIA — Das virale Sound-Art Labor

25. bis 29.Oktober 2021
Kontaktstelle Musik Region Braunschweig

Zellen teilen sich, Viren vermehren sich, Organismen bewegen sich. Nicht sichtbar für unsere Augen, nicht hörbar für unsere Ohren. BIOPHILIA kreiert Bilder und verleiht Emotionen einen Sound.

Die Ausgangsfrage des experimentellen Projektes war ›Was entsteht, wenn wir zellbiologische und Natur-Phänomene sichtbar und die Klänge unseres Körpers und unserer Emotionen hörbar machen?‹ Inspiriert durch das gleichnamige Album der isländischen Multimedia-Künstlerin Björk, untersuchten die Teilnehmenden im einwöchigen Workshop Laborbilder und experimentierten mit Appmusik-Sounds und Fotobearbeitungstools.

Dazu gehörte auch ein Besuch im BRICS, dem Braunschweiger Zentrum für Systembiologie. Vor Ort durften sich die Teilnehmenden die Laborarbeit anschauen und mikrobiologische Prozesse unter dem Mikroskop beobachten. Während des gesamten naturwissenschaftlichen-kreativen Prozesses, stand immer der eigene Körper im Mittelpunkt. Wie sieht mein Körper eigentlich unter dem Mikroskop aus? Wie sieht ein gesunder Körper aus und wie ein kranker? Anschließend wurden die Mikroskop-Bilder fotografisch festgehalten und im weiteren Prozess mit Bildbearbeitungstools individuell gestaltet.

Für die musikalische Untermalung der Kunstwerke wurden eigene Körperklänge genutzt, wie bspw. das Blutrauschen oder der eigene Herzschlag. Die für das menschliche Gehör nicht erfassbaren Klänge wurden mit Hilfe von speziellen Aufnahmetechniken hörbar. Die eigenen Körpergeräusche wurden mit anderen, eher unkonventionellen, Geräuschen gemischt und mit der App-Soundmusik verarbeitet.

In der Komposition aus verschiedenen Disziplinen entstand eine einzigartige Ausstellung, bestehend aus 15 Bildern und 11 Musikstücken. Die Galerie eröffnet den Zuschauenden einen persönlichen und intimen Einblick, es gibt aber auch Raum für die eigenen Gefühle und Interpretationen.

Eine Galerie zum Anhören und Anschauen, zum Staunen, Nachdenken und selbst kreativ werden.
Ausstellung

Beispielhaftes Werk von Sanem mit dem Titel „Malignom 2011“

Online-Regionalwettbewerb Jugend forscht

27. und 28. Februar 2021
Die Braunschweigische Stiftung in Kooperation mit der Braunschweigischen Landessparkasse

Der 33. Regionalwettbewerb Jugend forscht und Schüler experimentieren fand 2021 erstmals als virtueller Wettbewerb in Braunschweig statt. Viele Meter Kabel wurden verlegt, massenhaft Technik aufgebaut und so wurde das Haus der Braunschweigischen Stiftungen für zwei Tage ein voll ausgestattetes Live-Stream-Studio. Rund 100 Teilnehmer:innen von 18 Schulen nahmen trotz herausfordernder Zeiten am Regionalwettbewerb Braunschweig mit 59 Projekten teil. Insgesamt qualifizierten sich 23 Teilnehmer:innen mit 13 Projekten für den Landeswettbewerb Niedersachsen und hatten dort die Möglichkeit, ein Ticket für den Bundeswettbewerb zu ergattern. Im Rahmen einer virtuellen Feierstunde wurden am 28.02. alle Sieger:innen verkündet. Wettbewerbsleiterin Petra Aust blickt zufrieden auf die Wettbewerbstage zurück: ›Trotz der großen Herausforderungen durch Covid-19 und des damit verbundenen Lockdowns ist es uns gelungen, den 33. Regionalwettbewerb von Jugend forscht und Schüler experimentieren in Braunschweig auch in diesem Jahr auszurichten. Es war eine große Freude zu sehen, mit welcher Kreativität, Begeisterung und Ernsthaftigkeit die jungen Forscherinnen und Forscher ihre Projekte entwickelt und digital präsentiert haben.‹ Alle Kurzfassungen der eingereichten Projekte sind in dem Wettbewerbsbuch zu finden.

Hier geht es zum Video der Feierstunde: https://www.youtube.com/watch?v=GrhWREfJnkk