›Veränderungsprozesse in Kultureinrichtungen‹

2018 bis 2020
Figurentheater Fadenschein und LOT - Theater 

Figurentheater Fadenschein mit der ›Zukunftsstudie Figurentheater Fadenschein‹ und LOT-Theater mit der ›Machbarkeitsstudie LOT-Theater‹. 

Das LOT-Theater und das Figurentheater Fadenschein, zwei wesentliche Protagonisten der braunschweigischen Kulturszene, haben sich bereits vor Jahren in einen Veränderungsprozess begeben. Das LOT hatte mit externer Begleitung eine Machbarkeitsstudie zur Zukunft des Theaters erarbeitet und ist gerade dabei, die Umsetzung dieser wegweisenden Studie voranzutreiben. Das Fadenschein befand sich am Beginn eines Prozesses zum Generationenwechsel, der zum jetzigen Zeitpunkt vollzogen ist und mit einer schriftlichen Studie von Miriam Paul im April 2021 endete.

Stefani Theis und Martin von Hoyningen-Huene vom LOT-Theater sowie Miriam Paul  vom Theater Fadenschein berichten in diesem Kurzinterview von ihren Erfahrungen, Erkenntnissen und den jeweiligen Auswirkungen dieses Change-Prozesses.

Die Studie war ein sehr umfangreiches und auf die Zukunft der jeweiligen Bühne ausgerichtetes Projekt: Wie haben Sie den Prozess (persönlich bzw. im Kollektiv) wahrgenommen und letztendlich auch bewältigt?

Fadenschein: Der Prozess der Studie hat wichtige zu bearbeitende Themenfelder aufgedeckt und Handlungsimpulse gesetzt. Eine Hauptaufgabe der Studie bildete das Erfassen von Arbeitsabläufen, Arbeitsbereichen und die Dokumentation von Wissen und Arbeitsabläufen der Teammitglieder. Dieser Prozess beschäftigte das gesamte Team und seine Sinnhaftigkeit wurde im Zusammenhang mit zwischenzeitlich erfolgten Personalwechseln in Organisation und Öffentlichkeitsarbeit des Theaters unmittelbar deutlich. Die verbesserte gegenseitige Wahrnehmung entfaltete darüber hinaus eine stärkende teambildende Wirkung. Auch der im Zusammenhang der Studie initiierte umfangreiche Austausch mit anderen vergleichbaren Figurentheater-Spielstätten erwies sich als sehr fruchtbar und half, das eigene Haus programmatisch, strukturell, finanziell und in seiner Zukunftsfähigkeit zu verorten.

LOT: Der Prozess ist in der Umsetzung noch in vollem Gange. Die eigentliche Machbarkeitsstudie mit den erarbeiteten Zukunftsszenarien war der Türöffner für einen Entwicklungssprung, den wir so nicht erwartet hätten. Wir haben alle sehr viel gelernt (und lernen noch) im Sinne einer immer weiter voran schreitenden Professionalisierung. Die externe Begleitung war für uns von existentieller Notwendigkeit, um zukünftige Strukturen überhaupt denken zu können und die Basis dafür zu schaffen,  diese jetzt umzusetzen.

Wie lange waren Sie persönlich bzw. als Institution in die Studie involviert?

Fadenschein: Die Studie erfasste die Betriebsabläufe des Theaters Fadenschein im Zeitraum von 1,5 Jahren und bezog sowohl eine komplette Spielzeit, als auch ein Festival WEITBLICK mit ein. Während dieser Zeit war meine persönliche Arbeitszeit im Umfang einer großzügigen halben Stelle, sowie die Arbeitszeit des Teams in wechselnden Anteilen gefordert. Wöchentliche Sitzungen des gesamten Teams begleiteten die Studie.

LOT: Von 2016-2019, 2020 hat die weitere Umsetzung begonnen.

Was war an/während der Studie besonders überraschend?

Fadenschein: Die Erstellung der Studie erwies sich als dynamischer Prozess, in dessen Verlauf Probleme offenbar wurden, deren Behebung unverzüglich in Angriff genommen werden musste. Zum Teil setzten einfache Fragestellungen teils überraschend umfangreiche Veränderungen in Gang.

LOT: Die Studie war ergebnisoffen, überraschend war für uns u.a. die Wichtigkeit des "alten" Standortes wie auch die Komplexität der Anforderungen an ein zeitgemäßes Theater- und Produktionshaus. Über die Machbarkeitsstudie haben sich Netzwerke eröffnet, die wir uns vorher nicht hätten vorstellen können und die mittlerweile zu einem tragfähigen "Alltag" geworden sind und uns überregional vorangebracht haben. Uns hat insgesamt der Entwicklungssprung überrascht.

Wie gehen Sie jetzt mit dem Ergebnis der Studie um?

Fadenschein: Die Arbeit an der Studie hat Handlungsimpulse gesetzt, denen teilweise bereits während der Studie nachgegangen wurde, um die Voraussetzungen für einen funktionierenden Generationenwechsel in der Leitung des Theaters zu schaffen. Aus den weiteren Ergebnissen hat sich ein Fahrplan für die Weiterentwicklung des Theaters entwickelt.

LOT: Wir setzen die Ergebnisse konsequent um. Die Studie ist dabei in ihrer Seriosität auch eine gute Argumentationshilfe, u.a. um zu belegen, dass unsere Bedarfe nicht willkürlich an momentane Möglichkeiten gebunden ist, sondern das Ergebnis gründlicher Untersuchungen.

Welche konkreten/unmittelbaren Erkenntnisse haben Sie schon umsetzen können bzw. werden Sie demnächst umsetzen?

Fadenschein: Bereits zu Beginn der Studie wurde deutlich, dass die Neugestaltung der Internetseite und die Einarbeitung einer Mitarbeiterin in deren Bedienung, sowie der Ausbau und die Intensivierung der Social-Media Präsenz unmittelbar umgesetzt werden mussten. Als dringend notwendig erwies sich auch das Einwerben zusätzlicher finanzieller Mittel zur Ermöglichung der Umsetzung neuer inhaltlicher Konzepte. Die dreijährige Konzeptionsförderung des Landes Niedersachsen konnte hierfür bereits 2019 erfolgreich gewonnen werden.

Des Weiteren wurden dringende Investitionsbedarfe aufgedeckt, mit deren Umsetzung und Finanzierung teilweise bereits begonnen wurde. So konnte beispielsweise in 2020 eine Lüftungsanlage im Saal in Betrieb genommen werden.

LOT: a) die internen Strukturen wurden professionalisiert und somit auf die zukünftigen Entwicklungen vorbereitet, weg vom Wildwuchs einer dynamischen Entwicklung hin zu einer rational durchdachten Gesamtstrategie, welche die zukünftigen Arbeitsprozesse samt Schnittstellenmanagement möglich macht.

b) durch eine Reihe von Dingen, die man auch ›Zufall‹ nennen könnte, die sich aber ohne die Studie nicht aufgetan hätten, werden in 2022 die räumlichen Anforderungen fast zu 100 % eingelöst. Damit werden ausgearbeitete neue Arbeitsfelder überhaupt erst möglich. Beim kostspieligen Übergang dahin wurden und werden wir sowohl von den Stiftungen unterstützt, welche die Studie ermöglicht haben, als auch von weiteren Stiftungen und den Neustart-Kultur-Töpfen.

Welche Institutionen/Personen/Hilfen haben Sie bei der Durchführung der Studie besonders unterstützt?

Fadenschein: Als sehr fruchtbar erwies sich der Austausch mit anderen vergleichbaren Figurentheater-Spielstätten. Der vielerorts in den nächsten Jahren anstehende Generationenwechsel in der Leitung der Theater bildete die Grundlage für ein reges Interesse an der Braunschweiger Zukunftsstudie und für bereitwilligen Informationsaustausch.

Auch die prozessbegleitende Gesprächsbereitschaft der Braunschweigischen Stiftung wirkte sich produktiv auf die Entwicklung der Studie aus.

LOT: In erster Linie die Braunschweigische Stiftung und die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, im Nachgang ebendiese; die Stiftung Niedersachsen sowie die Richard-Borek-Stiftung, durch persönliches Engagement und persönliche Unterstützung Susanne Schuberth (Die Braunschweigische), Diana Koss, Lavinia Francke (beide Stiftung Niedersachsen), Richard Borek sen. Richard-Borek-Stiftung), Dr. Stephan Malorny, Dr. Anja Hesse (beide Kulturinstitut Braunschweig), Nils Baron (unser Berater von EigenArt), Gerhard Glogowski (Vorstandsvorsitzender SBK und Stiftungsrat Die Braunschweigische), Annette Schütze, Frank Flake, Christos Pantazis (alle SPD Braunschweig), Elke Flake (Die GRÜNEN Braunschweig), und insbesondere Rüdiger Becker (ESN) und Tobias Henkel (SBK).

Wann halten Sie eine solche Studie für sinnvoll?

Fadenschein: Eine solche Studie halte ich im Zusammenhang mit Veränderungsprozessen für sehr sinnvoll. Der reibungslose Generationenwechsel in der Leitung des Theaters Fadenschein und damit die Sicherung des Fortbestandes eines renommierten freien Kulturbetriebes sind maßgeblich dieser Studie zu verdanken.

LOT: In Situationen, in denen klar und unvermeidbar eine grundlegende Veränderung zur Zukunftssicherung und -ausrichtung mit erhöhter Komplexität ansteht und in welcher zur effizienten Umsetzung zu Beginn des Change-Prozesses ein übergeordneter Masterplan notwendig ist.